Eine Tradition entsteht
Der erste Januar 2025. Zum vierten Mal kämpfe ich mich auf die Matte. Was als spontane Idee vor vier Jahren begann, hat sich zu einer echten Tradition entwickelt. 108 Sonnengrüße, um das neue Jahr einzuläuten. Damals habe ich irgendwo aufgeschnappt, dass man mit 108 Sonnengrüßen ins neue Jahr starten soll und dachte, wait whaaaat? 108? Sonnengrüße? Also auch 108 Chaturangas? Warum macht man sowas freiwillig? Ich dachte auch: Niemals.
Ich glaube, es war mal wieder meine Neugierde, die damals diese Tradition entstehen lassen hat. Ich wollte wirklich verstehen, warum man als Yogi mit 108 Sonnengrüßen startet. Über die Jahre (immerhin vier an der Zahl), habe ich meine Antworten für mich gefunden. Ich konnte bzw. kann mich zwar zwei Tage danach kaum bewegen aber das Gefühl, direkt zum Jahresanfang so etwas absurdes zu schaffen, das hat mich seitdem jedes Jahr durch Chaos, Herausforderungen und die vielen kleinen und großen Freuden des Lebens getragen – und so stehe ich also jeden ersten Januar auf der Matte und drehe meine Runden. Wiederholung um Wiederholung. Denn, seien wir mal ehrlich, wenn man 108 Sonnengrüße durchrockt, was kann dann eigentlich noch kommen?
Warum ich jedes Jahr auf die Yogamatte gehe
Es ist das Gefühl danach und ein Geschenk an mich selbst, was ich mir mache. Es ist eine Übung in Durchhaltevermögen, mentaler Stärke und vor allem in Selbsterkenntnis. Nicht jedes Jahr bin ich gleich fit, und nicht jedes Jahr fällt es mir leicht. Doch ich komme immer wieder zurück. Denn auch seit dem ersten Mal habe ich mir ein Versprechen gegeben - ich verhandle nicht mit mir selbst. Ich tue Dinge die mir gut tun. Diesen Effekt haben die 108 Wiederholungen des Sonnengrußes – auf meinen Körper, auf meinen Geist, auf mein inneres Chaos. Sie sind eine Art "Reboot". Während ich fließe, werden die Stimmen im Kopf erst lauter und dann leiser, die Gedankenspiralen ordnen sich. Und irgendwann, mitten in dieser scheinbar endlosen Abfolge, kehrt eine Ruhe ein, die mich jedes Jahr aufs Neue fasziniert und mir zeitglich die Kraft gibt, für alles, was das neue Jahr so bringen mag. Ein absoluter Bonus (kleiner Glimmer reminder für mich selbst): an ganz schlechten Tagen, da erinnere ich mich zurück, dass ich, so verrückt es klingen mag, doch am 01.01. diejenige war, die 108 Sonnengrüße gemeistert hat. Und dieses Gefühl, das gibt mir den Boost übers ganze Jahr hinweg. Aber warum eigentlich genau 108 Sonnengrüße?
Warum 108 Sonnengrüße? 5 Perspektiven aus Tradition und Moderne:
1. Die Symbolik der Zahl 108
In der yogischen Tradition steht die Zahl 108 für Ganzheit und Verbindung. Sie symbolisiert die Verbindung zwischen dem Individuum und dem Universum. Mit 108 Sonnengrüßen ehrt man diese universelle Harmonie. Zudem gibt es 108 Upanishaden – die Grundlagen der vedischen Weisheit – die das tiefe Wissen über Körper, Geist und Seele vermitteln.
2. Körperliche Wirkung: Ganzkörpertraining
108 Sonnengrüße aktivieren nahezu jede Muskelgruppe im Körper. Durch die Kombination von Kraft (Chaturanga), Flexibilität (heraufschauender und herabschauender Hund) und Ausdauer fördert die Praxis die Durchblutung, stärkt das Herz-Kreislauf-System und verbessert die Mobilität. Außerdem werden Endorphine ausgeschüttet, die für ein positives Gefühl nach der Anstrengung sorgen.
3. Die Kraft der Wiederholung
Psychologische Studien zeigen, dass monotone, sich wiederholende Bewegungen eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem haben können. 108 Sonnengrüße sind eine dynamische Meditation: Die Wiederholungen synchronisieren Atem und Bewegung, fördern die Ausschüttung von Serotonin und reduzieren Stress. Sie können so den Zustand eines "Flow-Erlebnisses" hervorrufen, bei dem Körper und Geist eins werden.
4. Moderne Perspektive: Selbstwirksamkeit und Resilienz
In einer Zeit, in der Herausforderungen oft mental und emotional überwältigend sind, kann eine regelmäßige Praxis wie die 108 Sonnengrüße ein Symbol der inneren Stärke sein. Das Durchhalten dieser intensiven Praxis schenkt das Vertrauen, schwierige Herausforderungen meistern zu können. Es stärkt die Resilienz, sowohl körperlich als auch mental.
5. Jahreswechsel: Loslassen und Neuanfang
108 Sonnengrüße zum Jahresbeginn sind ein bewusstes Ritual, das hilft, das alte Jahr hinter sich zu lassen und Platz für Neues zu schaffen. Diese symbolische Praxis verbindet körperliche Anstrengung mit mentaler Klarheit und emotionaler Erneuerung – eine moderne Interpretation des uralten Gedankens, sich durch Bewegung und Atem von altem Ballast zu befreien.
Was 108 Sonnengrüße für mich bedeuten
Man muss nicht spirituell sein, um sich von der Kraft dieser Zahl und dieser Praxis inspirieren zu lassen. Für mich sind diese 108 Sonnengrüße eine bewusste Entscheidung: das Alte loszulassen und Raum für Neues zu schaffen.
Die körperliche Herausforderung ist real, aber sie schenkt mir mehr, als sie mir nimmt. Ich fühle mich danach stark und leicht zugleich. Mein Kopf ist klarer, mein Körper gestärkt, meine Seele beruhigt.
Die 108 Sonnengrüße sind für mich mehr als eine sportliche Übung – sie sind ein Ritual. Eine Zeit, in der ich mich selbst ordne, mich fokussiere und mich in den Takt meines Atems fallen lasse. Ich bestimme, was ich loslasse, was ich halte, worüber ich lache, worüber ich weine. Jedes Jahr, an diesem ersten Tag, erlaube ich mir, ganz ich selbst zu sein – und mich gleichzeitig auf das vorzubereiten, was kommen mag.
Ich bin neugierig: Hast du auch schon einmal mit 108 Sonnengrüßen ins neue Jahr gestartet? Was hast du daraus für dich mitgenommen? Reizt dich der Gedanke, das neue Jahr mit 108 Sonnengrüßen zu begrüßen? Ich würde gerne deine Erfahrungen hören!
Mit anbahnendem Muskelkater getippt,
Marta
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